an einer Lerngemeinschaft teilhaben – erste Lehrerfahrungen

Veröffentlicht in: Pädagogisches | 3

Mit jedem Tag, den ich in einer indischen Creche verbracht habe oder hier in der Hausmütterschule/Trainingscenter an den Unterrichtsstunden teilgenommen habe, wuchsen meine Bedenken, was denn nun bitte ich hier im Unterricht beizutragen haben.

Was und wie kann ich pädagogische Inhalte vermitteln, die ich für unabdingbar erachte und die gleichermaßen an die erlebten Lern- bzw. Unterweisungssituationen ankoppeln. Und wie mag das gelingen, wenn wir insgesamt zusammen vier Sprachen sprechen; zwei die die Trainees und ich als Muttersprachen sprechen, Tamil und Deutsch –

und die zwei verbindende, Englisch und die sich immer vielfältiger ausbildende Körpersprache.

Entschieden habe ich mich thematisch für die Fragestellung „How are children learning?“ und habe mich entschieden ihnen, unterstützt mit einer Vielzahl von, in den indischen Creches erstellten und ausgewerteten Bildern zwei Modelle zu präsentieren:

die 5 neuseeländischen Lerndispositionenaus dem Konzept der learningstories

-Taking an interest
-Being involved
-Persisting with difficulty
-Expressing an idea or a feeling
-Taking responsibility

und einen Auszug aus den Zielen des „Statutory framework for the early years foundation stage“

“• playing and exploring – children investigate and experience things, and ‘have a go’;

• active learning – children concentrate and keep on trying if they encounter difficulties, and enjoy achievements;

• creating and thinking critically – children have and develop their own ideas, make links between ideas, and develop strategies for doing things.”

Ziel war „das Lesen“ der Kinder, ihre Botschaften in den Situationen des Unterweisens und des Lernens im Alltag näher zu bringen, auch um die Relevanz der Interaktionsqualität zu unterstreichen – soweit der Plan.

Allein über die Beschreibung der Bildaussagen gelang es einen erstmal nonverbalen Dialog herzustellen; Zustimmung, Engagiertheit, erste vorsichtige Fragen, für die eine oder andere Trainee nur in Tamil möglich und dank des engagierten Übersetzens der Rektorin Frau Thanga dann zunehmend in ein gemeinsames Lernen kommend.

Mit der Erarbeitung der 4 guiding principles in early years settings, ebenso aus dem framework, konnte das Wirken von Haltung und von Handlung aufgenommen werden und anhand gleichermaßen positiver Bildbotschaften wie auch kritischer eine gewisse Sensibiltät erzeugt werden.

1 every child is a unique child, who is constantly learning and can be resilient, capable, confident and self-assured

2 children learn to be strong and independent through positive relationships;

3 children learn and develop well in enabling environments, in which their experiences respond to their individual needs and there is a strong partnership between practitioners and parents and/or carers

4 children develop and learn in different ways and at different rates.

 

Die Aussagen der principles, die ich doch bisher eher selten in der Praxis hier angewendet gefunden habe, leuchteten den jungen Frauen, bisher noch ohne Praxiserfahrung, ein.

Und dann?

Koppeln an indische Unterrichtsmethoden im CMS heißt den Bezug zur Bibel herstellen. Tiefes Kramen meinerseits in den verschütteten inhaltlichen Resten des ReliLKs rund ums Abi also 33 Jahre her! und doch ein wenig an der Ev. Hochschule…und dann, fündig im vertrauten Raum des Prediger 3 „ein jedes zu seiner Zeit“ schloss ich den ersten Unterrichtsvormittag ab.

 

Und wie gehen nun Aktivierende Methoden, wenn ich eben kein Lied und kein passendes Gebet parat habe, das mitgesprochen werden kann. Gehe ich in das, für die Frauen gewohnte Abfragen durch Nachsprechen, von dem ich fast Schüttelfrost bekommen?

Gewagt erstehe ich, wieder theaterreif, Packpapier und Stifte im Market und entscheide mich für einen Schritt, der in NZ wenn dann als Kopplung gewährt werden würde

in 5 Gruppen erarbeiteten die Frauen je eine Lerndisposition in eigenen englischen Worten, sowohl positiv wie kritisch beschreibend. – Und das spätestens war der Einstieg in eine neue Form von Lerngemeinschaft zwischen Ihnen und mir.

Gewohnt auf dem Boden, ungewohnt, was visualisieren angeht, gerüstet gleichermaßen mit Wörterbuch und Bibel, diskutierten sie immer erst auf Tamil, versuchten sich zu vereinbaren, übersetzten mutig ins Englische und begannen es zu bebildern. – Nicht die Details waren für das Ergebnis ausschlaggebende, das uneingeschränkte Engagement, das Ringen nach den Begriffen macht es aus – sich mit Pädagogik auseinandersetzen!

Und später die erste Präsentation im Plenum – sicherheitsgebend in Tamil. (also ich hatte damit keinerlei Eingriffmöglichkeit, ob das was sie präsentieren „richtig“ ist – das war in diesem Fall auch schon lange nicht mehr mein Lernziel, vielmehr ging es darum sie in eine eigene Schaffensphase und Auseinandersetzung zu bringen… dass da 5 mal „she is happy“ stand – glücklich sein in Lernsituationen ist in Indien nun wirklich nicht die Regel…

Ein neues Format

und letztendlich haben sie locker alle 5 Lerndispositionen selbst gemeistert – mit dieser dankenden Rückmeldung meinerseits ernteten wir eine gemeinsame, fröhliche und lustvolle Arbeitssimmung – teilhabend an unserer Lerngemeinschaft.

und ein „Thank you aunti“ (das mit der Tante als Sammelbegriff aller älteren, ggf auch wissenden Frauen, nehme ich zwischenzeitlich gerne als ein Zeichen der zunehmend wachsenden Verbundenheit)

Eine Lerngemeinschaft auf Zeit bilden und entwickeln, präsent über die Körpersprache zu sein und mich ihnen, mit meiner Erfahrung mitteilen – uneingeschränkt, das scheint der Schlüssel zum Inhalt und zur Botschaft Kinder ins Lernen hinein zu begleiten, eben unter den hier gegebenen Bedingungen.

Sharing war der Begriff, der mich auf der pfv Studienreise durch Neuseeland im Land der Lerngeschichten zick fach erreicht hat – sharing, die Bereitschaft uns mitzuteilen und in Beziehung zu gehen – dass meine kleine Enkelin Fiona als so hilfreiche starke Brückenbauerin mit ihren Lerngeschichten mich bis hierher begleitet und sie die Herzen der jungen Inderinnen im Laufschritt erobert hat und als Model für Lerndispositionen mitarbeitet – das war so gar nicht geplant, als die Frauen darum baten, Bilder von Fiona sehen zu dürfen (schon allein um zu sehen, ob das auch stimmt, denn Omas sehen hier scheins anders aus…wie auch immer)

Schließen möchte ich mit dem, m.E. passenden Zitat aus NZ:

das erste Mal ein gemeinsames Ergebnis präsentiert

DSC01812k

gefunden in einer neuseeländischen KiTa am Eingang
gefunden in einer neuseeländischen KiTa am Eingang

3 Antworten

  1. Heidi

    Emotional berührend. Freu mich auf unsere Wiederbegegnung im Frühjahr und der Wikung Allen Erlebens. Bei dir und bei mir. Weiter so und bleib fit und gesund. Herzlichst. Heidi

  2. Klara Schlömer

    Wie spannend, diese Berichte zu lesen! Sie erinnern mich an meine Zeit in Indien, als ich vor 30 Jahren ein halbes Jahr in verschiedenen Kindergärten und Schulen hospitierte und auch „Unterricht“ mit Leiterinnen von Kindergartengruppen machte – mit Kokosnussfasern an Holzstäbchen gebunden und unterschiedlichen Sand- und Erdmischungen als Wasserfarbe – und Bildern aus Zeitungen und Prospekten als Grundlage für selbst hergestelltes Spielmaterial – diese wurden mir dann vor 5 Jahren noch ganz stolz als Spielmaterial in einer der beteiligten Einrichtungen gezeigt. Die „auntie“ bleibt man dann ein Leben lang. Für mich hat Indien bedeutet, dass sich viele Werte und Relationen völlig verschoben haben und zu einem ständigen spannenden Überlegen darüber führt, was ist wirklich wichtig und was ist nur Schein. Über einen Austausch am Ende Ihrer sicherlich erlebnisreichen Zeit würde ich mich freuen. Weiterhin viele interessante Erfahrungen! Namaste!

  3. Ingrid Schulz

    Es ist total spannend, ich wünschte mir mehr Zeit um alles ganz in Ruhe und begreifend zu lesen. Es wirkt so inspirierend und begeisternd.
    Zuerst einmal herzlichen Dank an dich liebe Kariane, dass du uns teilhaben lässt an deinen Lerngeschichten. Ich wünsche dir auch weiterhin viele Erfahrungen und Ideen, die du entwickelst und damit die jungen Frauen dort erreichst. Dialog ist und kann überall sein.
    Danke und Grüße aus Halle:-)

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