Mit und für eine nonprofit Organisation wie den CMD in ein anderes Land „zum Arbeiten“ gehen, hieß für mich, mich auch mit den Organisationsstrukturen und Kulturen auseinanderzusetzen. Auf der Suche sowohl nach Alleinstellungsmerkmalen der indischen Organisation wie auch Parallelitäten bin ich immer noch erstaunt, wieviel Vergleichbares es im Aufbau und in den Abläufen gibt, sowohl in den gelingenden Feldern wie in Bereichen, die (auch aus dem indischen Blickwinkel) überdenkenswert scheinen.
Liegt das daran, dass der Ursprung aus der Arbeit deutscher Diakone und Sozialarbeiter kommt? Liegt es daran, dass über viele Jahrzehnte, z.T bis heute soziale Organisationen zur Unterstützung von Menschen in Armut und Not aus dem Ausland (Europa und USA) initiativ sind und damit Organisationsstruktur und -kultur quasi Importware ist?
“Organisational culture is the collection of traditions, values, policies, beliefs and attitudes that constitute a pervasive context for everything we do and think in an organisation.”
„Organisationskultur ist die Sammlung von Traditionen, Werten, Regeln, Glaubenssätzen und Haltungen, die einen durchgehenden Kontext für alles bilden, was wir in dieser Organisation tun und denken.“
McLean und Marshall, 1985
Für eine fundierte Antwort reicht mein aktueller Wissensstand nicht – für das
“This is how we do things around here.” „So machen wir das hier.“
(Bright und Parkin, 1997) in Ansätzen.
Als der Auftrag im Raum stand eine Expertise zu meiner Evaluation der Qualität – der Orientierungs/Prozess/Strukturqualität für die verschiedenen Betreuungsformen creche, tuition und kiruba gegenüber Aufsichtsrat und Management abzugeben, war für mich klar, dass ich die Einbettung der verschiedenen Betreuungsangebote und -leistungen in die Organisation besser verstehen muss, auch um die Hypothesen zu den erlebten Qualitätsunterschiede fundierter entwickeln zu können.
Zur Organisation:
wie auch bei uns usus, wird die Organisation von einem Aufsichtsratvorsitzenden (seit letzten Jahr einem indischem Geschäftsmann, der den langjährigen deutschen Vorsitzenden Horst Kowski ablöste) geführt. Im Aufsichtsrat sind indische, schweizer und deutsche Mitglieder vertreten.
Der aktuelle Geschäftsführer ist seit 2,5 Jahren eingesetzt (Ökonom aus dem Textilbereich); ihm sind aktuell zwei Manager untergeordnet für:
Sponsering/PR Arbeit: ein promovierter Theologe, Inder, der selber in CMS aufgewachsen ist
Administration der verschiedenen Standorte/Units: Diakon mit Zusatzqualifizierungen in Betriebswirtschaft.
Die Units/Standorte sind regional gebündelt und werden von sog. Areamanagern(Bezirksleitungen geführt, die z.T Theologen und z.T Juristen/Betriebswirte sind. Fachliches knowhow in sozialer Arbeit oder Kindertagesbetreuung bzw. Kinder/Jugendhilfe ist weder im Management noch in den nachgeordneten Führungsebenen aktuell gegeben. Strukturen von Fachberatung, wie wir sie kennen, bestehen nicht.
Geführt wird über Kennzahlen und Budgets; das Geld für die Arbeit kommt ausschließlich aus Spendenmitteln in Deutschland und der Schweiz; zwischenzeitlich auch über sog „ExStudentStrukturen“ (vergleichbar mit Aluminstrukturen) auch aus Indien von Ehemaligen oder Organisationen und Personen, die mit dem CMS in Bezug stehen. Der wesentlichere Bereich der (Belegungs)Steuerung liegt in den individuellen Bedarfsanalyse. Es gibt Kriterienkataloge mit hoher Bearbeitungstiefe, die die Erforderlichkeit der Aufnahme eines Kindes in ein Angebot prüfen helfen. Insbesondere da wo lange Wartelisten bestehen hat das Aufnahmeprozedere hohe Priorität.
In den vielen Jahren des Aufbaus und der Expansion von verschiedensten Unterstützungs- und Förderstrukturen für Kinder und Jugendliche, von der Heimunterbringung bis zur internen Ausbildung und externen Ausbildungsangeboten bis zu Betrieben war eine Evaluation und ein „Blick von außen“ noch nie in dieser Form eingeholt worden. Der Blick von außen kam über die Aufsichtsrat und Vorstandstrukturen in Indien wie den Ländern Deutschland und der Schweiz – über Besuche, Diskurse, gemeinsame Ideen und Projekte. Eine intensivere fachliche Auseinandersetzung, auch vor dem Hintergrund sich verändernder gesellschaflicher Strukturen in Indien in Verknüpfung mit Konsequenzen für Konzeption und Organisation hat wohl für das neue Schülerbetreuungsprojekt Kiruba stattgefunden. Die Übertragung in die anderen Tätigkeitsbereiche in der Kinder- und Jugendhilfe oder auch deren fachliche Beachtung war nicht gegeben. Sicher eine Folge der Veränderung in der Geschäftsführungsebene vor 7 Jahren als Dr. Horst Kowski in Rente ging und nach 41 Jahren eine Führungswechsel erfolgte.
Die Chance, wie auch die Herausforderung zu erhalten für die durchaus gut nachgefragten aber aktuell finanziell unterversorgten KiTaBetreuungsangebote eine fachliche und organisatorische Einschätzung abzugeben, war für mich einerseits eine große Wertschätzung meiner Fachlichkeit und Akzeptanz meiner Vorgehensweise, andererseits aber auch durchaus kritisch. Einmal mehr galt es für mich abzuwägen, ob ich wirklich bereits soviel Informationen gesammelt und Aspekte bedacht hatte um dem gerecht zu werden.
Ob ich die Organisation und ihre Kultur, ihren Werdegang als christliche Organisation, die wirtschaftlich zu handeln hat, verstehe, und mit der „indischen Haltung“ auch ausreichend respektiere? „Indische Haltung“, darunter verstehe ich eine für mich anderen Umgang mit Zeit, mit sächlichen Ressourcen, mit Verbindlichkeiten und Fachlichkeit. Darunter verstehe ich auch einen Abgleich zwischen den Bedarfen und den Angeboten und deren zeitgemäße Fortschreibung. Werten möchte ich es nicht – ich kann es nur beschreiben!
„Eine-KiTaWelt“ – wenn über Entwicklungszusammenarbeit in der frühen Kindheit nachgedacht wird, steht im Mittelpunkt (oder muss stehen), dass wir gemeinsam eine Idee haben, was Kindertagesbetreuung für das einzelne Kind bewirken kann und soll. Die Betrachtung der Wirksamkeit hat das System einzubinden, in dem das Kind lebt und an das die KiTa mit ihrem Angebot und Ausrichtung ankoppelt. In diesem, so meine ich, Spannungsfeld habe ich mich versucht mit und über die Expertise zu positionieren. „Ich Botschaften“ statt Allgemeinplätzen, das war meine Vorgehensweise.
Mit dem dann auf die Expertise folgenden Auftrag in den Prozess der Entwicklung einer main guideline für alle Betreungsformen einzusteigen, unterstrich der Aufsichtsrat und das Management ihre Zufriedenheit mit dem Produkt.
Die darin skizzierten Handlungsbedarfe haben die Chance in konzeptioneller und organisatorischer (möglicher)Neuordnung beantwortet zu werden, gleichermaßen wie in den angedachten weiteren Qualifizierungsangeboten für teachers and coordinators.
Bleibt zu hoffen, dass die erforderlichen finanziellen Mittel (auch durch Umschichtungen) und Akquise zur Verfügung gestellt werden können,
bleibt auch zu hoffen, dass die Nachhaltigkeit sich auch im Handeln und der Haltung zeigt – zum Wohl der Kinder, im Sinne der Kinder und ihrer Familien.
Mitglieder aus Management und Aufsichtsrat beim ersten Weiterbildungstag
Herr Kowski und Dr. Thomas Babu beim ExStudentMeeting mit einem ExStudent (mittig), der für den CMS spendet und den jungen Trainees aus seinem Lebensverlauf berichtete – Wirkungen des CMS begreifbar machen!
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