Kanyakumari – oder der unvorhergesehene Weg 2 Tage allein im Pilgerort zu verbringen

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Nicht vorstellbar war es für mich, was es in seiner Konsequenz bedeutet „nichts“ alleine unternehmen zu können, ob „dienstlich“ oder privat. Der Weg zu Bushaltestelle, wenngleich zwischenzeitlich wirklich vertraut, der Einkauf im Derikmarket, einem Kaufhaus oder bei der Krämerin in ihrem Büdchen unweit der Schule, nicht losziehen zu können, ohne Kontrolle Anderer etwas zu erkunden und stets, auch bei begleiteten Wegen, wie in die Creche oder zu einem offiziellen Termin vorher die Genehmigung eingeholt zu haben, zum Teil abgesichert über das sog Form C, wohl eine Art besonderer Antrag für Ausländer/innen, die sich in Indien befinden.

Mit unendlich viel Aufmerksamkeit und Zeit werde ich begleitet – keine Frage! im Gegenteil, für deutsche Verhältnisse immer wieder über der Grenze des Zumutbaren, denn es kann ja nicht sein, dass ich soviel Zeit binde – sind hier 25 km Busfahrt eine Aktion von an die 1,5 auch mal 2 Stunden im öffentlichen Personennahverkehr (dass ich in den Bussen begleitet werden, leuchtet mir zwischenzeitlich mehr als ein!) Und manchmal ist es auch echt lustig mit 5 Mädels zurück vom Gottesdienst in einer Motorrikscha zu fahren, die auch mit 3 Personen schon nicht schlecht besetzt ist.

Aber in der Konsequenz bedeutet es, dass der Besuch einer KiTa fast gleichviel Zeit für die An- und Abreise bindet und das begleitet.

Kurzum die Auseinandersetzung was „save“ ist und was für eine Europäerin schwierig ist oder was ingesamt für Frauen in Indien schwierig bis gefährlich ist, begleitet mich tagtäglich. Die selbstverständliche Freiheit, in der wir aufwachsen wird dann in ihren Dimensionen erfassbar, wenn, zumindest bei mir, wir es erleben, was es heißt, wenn es anders ist. Klar hatte man mir es xfach gesagt – aber wie eben in aller Kommunkation gesagt ist eben nicht zwingend verstanden und auch nicht nachvollzogen…Und klar, war ich in der Türkei, mit dem Rad in Anatolien oder in der tunesichen Wüste – aber immer männlich begleitet oder in eine Gruppe eingebunden….

Was muss es für Frauen und Mädchen bedeuten, die aus anderen Kulturen zu uns nach Europa kommen? Die für uns so schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen von manchen Frauen, die auch nach Jahren des Lebens in Deutschland abends nicht zum Elternabend unbegleitet kommen können oder dürfen, erscheinen in einem neuen Licht. Nämlich dem, dass das Gefühl, wenn es Nacht ist, eine Frau nicht sicher ist – grundsätzlich nicht! egal, ob wir das Gegenteil sagen. Das ist gesetzt. Selbst als ich abends beleuchtete Kirchen betrachten durfte, haben sich das dann zwei Frauen miteinander als Begleitung vorgenommen gehabt – und wir sind nirgends gelaufen! Nur gefahren! Sicher und beschützt zu sein, ist ein Wert, den zumindest ich neu erfassen muss – hier dann wohl Kultursensitivität zu entwickeln – bereit zu sein die andere Einschätzung „stehen zu lassen“ – spannend, wie sich Brücken bauen lassen. Ich vermute nur über das Zugeständnis Erfahrungen machen zu können.

 

Mein angestautes Bedürfnis, nach dem Erleben Indiens in anderer Weise, unbegleitet, in meinem Tempo mit meinen Ideen, was mich interessiert hat sich in einem wahren slap stick „abgespielt“ – eine besondere Erfahrung.

Ich hatte gesagt bekommen, dass ich zwei Tage in einer creche (KiTa) in Kovalam verbringen kann, Freitag und Montag – gesagt getan, mir fiel ein, dass das ein Ort am Strand ist und schnell war mein Bestreben die Möglichkeit zu bekommen, das Wochenende dort alleine zu verbringen. Genehmigung ging erstaunlich schnell, vorausgesetzt das Hotel ist sicher und die Adresse bekannt und ich werde hingebracht und abgeholt – das ist ja zwischenzeitlich schon überschaubar.

Koffer gepackt, Hotel über das Internet ausgesucht – und dann wurde am Ende bei der Abfahrt in der creche deutlich, es gibt zwei Kovalam – eines in Kerala und einer Tamil Nado – und ich habe das falsche gewählt….und andererseits war ich am Rande des zweitwichtigsten Pilgerorts Indiens angekommen in Kanyakumari – und da wollte ich, wenngleich die Idee einer fließenden, manchmal warmen Dusche und zwei freien Tagen am Strand sich sofort änderten, natürlich hin.

Die Nerven meiner Begleiterin und des Motorrikschafahrers wie die meinigen waren schon angespannt, bis endlich ein als sicher einzustufendes, von außen hui von innen mit anderen Maßstäben als bei uns zu messendes Hotel mit Ozeanblick gefunden war – gab es zwar viele, aber wenige, die das Kriterium erfüllten und frei waren. Endlich eingebucht wurde deutlich Mastercard ist nicht – und Geld habe ich nirgends bekommen, da Bankenstreik war und meine Karten nicht funktionierten – der Traum der Freiheit erneut auf der Kippe!

Koffer wieder aus dem Zimmer geholt und Richtung Bushaltestelle – bis Mrs Thanga im Anblick meiner „Not“, dann aushandelte, mit Verweis auf CMS, dass ich am Montag finanziell ausgelöst werde, sie mir ihr ganzes Bargeld gab – 1200 Rubien, 17€ und das dann der Sockel für nun 2 ganze Tage im Hexenkessel eines indischen Pilgerorts war, der so ziemlich alles an Armut und Wohlstand bei den Besuchenden aufweist, was dieses Land ausmacht. Genial!

Ob das für mich allein hier wirklich sicher ist? Diese Frage erörtere ich in jedem Fall nicht – es ist in jedem Fall ein ganztägiges Trainingslager – einmal mehr – in sich trauen. Das fängt damit an, dass ich bisher mich nie ums Essen kümmern musste und durfte und nun vor einer indischen Speisekarte, zwar in Englisch sitze und mir der Reiseführer nicht wirklich hilfreich ist. Eigentlich für Auslandsreisende nichts Neues – stimmt. Für mich kurz in seiner ganzen Konsequenz schon – und als sich 8 Männer dann um mich setzten, war das mit dem versuch Abendzu essen ganz schnell erledigt…

Betrachte ich es aus der Sicht von KiTaArbeit, vergesse zumindest ich, was es bedeutet sich ein Land, in dem ich quasi nirgends andocken kann, zu eigen zu machen für eine längere Zeit, nicht für einen Urlaub. Wieviel Energie es bindet, das Alltägliche auf den Weg zu bringen, noch gar nicht bedacht, ob das Ergebnis das ich dann erzielt habe zu meinem Wohlbefinden beiträgt…allein was das Essen ausmacht.

Zu meinem trägt in jedem Fall das Erleben der (europäischen) Eigenständigkeit erheblich bei …tanke ich ein wenig für die kommenden Wochen!DSC01397k

der Sonnenaufgang wird von hunderten von Menschen am Ufer mitverfolgt während schon ab 5 Uhr morgens ohrenbetäubend christliche Gottesdienste ins freie übertragen werden
der Sonnenaufgang wird von hunderten von Menschen am Ufer mitverfolgt während schon ab 5 Uhr morgens ohrenbetäubend christliche Gottesdienste ins freie übertragen werden

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Blick auf die Pitru und Matru Felsen über einen Teil des riesigen volksfestähnlichen Marktes fliegender Händler

Karusell - mals anders, im KinderHandbetrieb unweit der rituellen Badestelle im indischen Ozean
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geschafft - erstes selbstbestlltes Frühstück
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Kuppeln des Kumari Amman-Tempels
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2 Antworten

  1. Heidi

    Liebe Kariane. Wow. Mutig. Vermutlich wird diese Lebenerfahrung in Indien dein weiteres Leben frei nach Baselitz auf den Kopf stellen. Ich bin gesund und bleib mir treu und begegne den Herausforderungen des Lebens mit Humor, Freude und im Schurz der mir wohlgesonnenen Menschen. Danke für die PFV Mail. Kümmere ich mich drum.
    Dein Block👍🍜 dringend in die Welt. Bleib gesund und kraftvoll mutig.
    Herzliche schwäbische Grüßle und eine energiespendende Umarmung 🌻 Heidi

  2. Ursula Straubinger

    Ja Frau Höhn, hört sich alles sehr spannend an und sicher auch sehr schwierig wenn man permanent „Bewacher(innen“ bei sich hat. Eine Erfahrung die gerade für Sie / uns unvorstellbar ist….jedoch sicher unumgänglich.

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